Training | Beratung | Projektmanagement

Von Geistern, U-Booten und Brotkrümeln

Was hinter Ghosting und ähnlichen Phänomenen steckt.

Viele haben es schon erlebt: Man steht im Austausch, chattet, telefoniert, trifft sich. Und dann. Funkstille. Keine Regung mehr. Nichts. Keine Antworten auf Nachrichten, keine Annahme von Anrufen, das Blockieren bei WhattsApp, das Löschen jeden Kontaktweges.

Inzwischen haben sich bereits Studien und Fachliteratur mit diesen Themen beschäftigt.
Es ist erschreckend – und faszinierend zugleich. Depressionen können davon ausgelöst werden oder psychische Störungen, die traumatische Ausmaße annehmen können.

Und das, weil es offenbar Menschen gibt, deren Empathie, deren Verantwortungsbewusstsein, deren Menschenliebe ganz offenbar nicht ausreicht, um sich zu stellen – zu klären, zu reden?

Gehäuft tauchen diese Phänomene auf, seit es Online-Dating gibt. Gedatet wird am Fließband, eine/r nach dem Anderen – oder alle zugleich. Und das, was ausgesondert wird, wird gemieden – ohne weitere Erklärungen.        
Geben wird es das aber schon länger. Auch außerhalb des Datingtrends kommt es vor – sogar in Freundschaften, bestehenden Beziehungen, in Familien gar.

Was bedeutet Ghosting:       
Das Wort „Ghosting“ stammt aus dem Englischen und kann ins Deutsche sinngemäß als wortloser Kontaktabbruch von Beziehungen und Freundschaften übersetzt werden. Wie ein Geist („Ghost“) verschwindet ein Mensch beim Ghosting aus dem Leben. Kein Abschiedsgruß, keine erklärenden Worte, lediglich Fragen bleiben zurück. Viele Dates, aber auch Beziehungen enden auf diese Weise. Nachrichten werden nicht mehr beantwortet, Anrufe blockiert und sämtliche Verbindungen gekappt. „Es wirkt so, als hätte man es mit einem Hologramm oder einem rahmenlosen Körper zu tun gehabt, einem Gespenst oder Geist“, beschreibt die Autorin Tina Soliman in ihrem Buch „Ghosting. Vom spurlosen Verschwinden des Menschen im digitalen Zeitalter“ den Zustand.

Laut einer Umfrage von Statista (Stand 2018) haben 19,7 Prozent der befragten Deutschen schon einmal Ghosting erlebt – Frauen ebenso wie Männer. Laut einer weiteren Umfrage der Dating-Plattform ElitePartner haben ganze 36 Prozent der Frauen zwischen 29 und 36 Jahren schon einmal jemanden geghostet. 19 Prozent sind es bei den Männern.“ 
(Quelle: AOK Gesundheitsmagazin, 2020).

Tatsächlich ist es inzwischen nicht nur das Ghosting, das Auswirkungen auf Betroffene hat, sondern andere, neuere, teilweise noch schlimmere Trends und Phänomene:

Das „Orbiting“ beschreibt den Trend, den Kontakt zu einer Person abzubrechen, also auf Nachrichten oder Anrufe nicht mehr zu reagieren, in den sozialen Medien aber beispielsweise Fotos zu liken oder Storys zu verfolgen. Man behält also die Nähe, lehnt aber einen weitergehenden Kontakt ab. Man „umkreist“ das „Opfer“ quasi virtuell, bleibt so in dessen Kopf und Gedanken - hält also eine gewisse Nähe, ohne reale Nähe inklusive einer Erklärung zuzulassen.

Das „Submarining“ (Submarine = U-Boot) beschreibt, wenn eine Person sich abrupt aus dem Leben einer Anderen herauszieht (vgl. Ghosting), dann aber nach einiger Zeit ohne Anlass aus der Versenkung wieder auftaucht, als wäre nichts gewesen.

Beim „Breadcrumbing“ (Breadcrumb = Brotkrümel) wirft eine Person der Anderen immer wieder kleine Häppchen zu, um eine Beziehung / einen Kontakt langsam aufzulösen, ggf. auch mit der kleinen Hintertür, diese bei Bedarf wieder aufzunehmen. Auch hier fehlt die unmittelbare Auseinandersetzung mit den Gründen für den Kontaktabbruch.

Als besonders perfide gilt das Benching“. (to Bench = jmd. auf die Reservebank schicken, frei Übersetzt mit „jmd. Hinhalten“). Hier spielt das Spiel mit der Hoffnung eine große Rolle.
Das Benching kann sich sogar über Jahre hinziehen und zeichnet sich dadurch aus, dass dem „Opfer“ regelmäßig Hoffnung gemacht wird. Es kann regelmäßige Treffen geben, ja sogar sexuelle Begegnungen sind möglich. Der Bencher (oder die Bencherin) jedoch hat ausschließlich Interesse an einem Zeitvertreib, oder sexuellen Treffen, nicht aber an einer echten Zukunftsperspektive. (Das Phänomen übrigens ist keinesfalls neu, auch hängt es nicht zwingend am Online-Dating. Oft taucht es auch bei sogenannten „Liebschaften“ auf, wenn also einer der beiden „Partner“ z.B. verheiratet ist und die „Affäre“ durch stetige Versprechen hinhält).

Was können Gründe für die vorgenannten Verhaltensweisen sein:

Umfragen unter Betroffenen, sowie allgemeine Kenntnisse zu Beziehungsphänomenen geben mehrere mögliche Erklärungen für die beschriebenen Verhaltensweisen.

Fest steht, dass die Ursachen für Ghosting & Co. weit in die Beziehungspsychologie gehen, also durchaus komplex sein können.

Oftmals spielt Beziehungsangst eine Rolle. Die profane Sorge vor falschen Entscheidungen wird oft zitiert. 

Was können Folgen der genannten Phänomene sein:

In der Regel ist mit dem Ghosting bzw. den anderen Phänomenen eine Verletzung bei den Betroffenen verbunden.
Wir stark diese ist, hängt naturgemäß von verschiedenen Faktoren ab:
Die individuelle Resilienz (psychische Widerstandskraft) der Betroffenen. Die Intensität und Dauer des Kontakts bzw. der Beziehung. Die allgemeinen Lebensumstände, mögliche Hilfestellungen Außenstehender (ggf. sogar professionelle Hilfe) und die eigene Fähigkeit, mit dem „Fall“ abzuschließen.

Oftmals sind aber auch eine gestörte Selbstwahrnehmung („Was habe ich falsch gemacht“, oder „was ist an mir schlecht“) die Folge. Das Vertrauen in neue Bindungen kann beeinträchtigt oder sogar vollständig beschädigt sein.

Im Extremfalle spricht die Psychologie von Verbitterungsreaktionen bis hin sogar zu einer „Posttraumatischen Verbitterunsstörung“ (PTED) als Folge:

„Verbitterungsreaktionen treten nach Erlebnissen der Herabwürdigung, des Vertrauensbruchs oder der Ungerechtigkeit auf. Sie werden im Kontext beruflicher wie privater Konflikte beobachtet, aber auch als Reaktion auf andere schwerwiegende negative Lebensereignisse wie beispielsweise Krankheit. Verbitterung ist jedem Menschen bekannt, vergleichbar zu Angst. Eine Sonderform der Verbitterungsreaktion ist die „Posttraumatische Verbitterungsstörung (Posttraumatic Embitterment Disorder = PTED)". (Quelle: Charité Berlin)